Meine Zeit nach Deutschland

Von Nataša Agatić

Marina Glavota ist eine 38-jährige Hausfrau, die seit 1998 mit ihrer Familie in Osijek lebt. Sie ist eine von vielen, die im Jahr 1991 mit ihrer Familie nach Deutschland ausgewandert ist, da in Bosnien der Krieg anfing. Sie erzählt uns von ihrem damaligen Leben in Deutschland. Wie das Leben in Deutschland war, wie es jetzt in Kroatien ist und warum es zum Umzug gekommen ist. Eins steht fest: es war für sie nicht leicht, zu erfahren Deutschland auf Wiedersehen sagen zu müssen.


Wie lange und wo haben Sie in Deutschland gelebt?
1991 bin ich mit meinem Mann und einem Kind nach Deutschland, bzw. nach Stuttgart gezogen. Vor dem Umzug lebten wir glücklich und zufrieden in Bosnien. Wir führten ein schönes Leben und uns hat nichts gefehlt. Doch dann kam es zum Krieg… Ein sehr guter Freund meines Mannes lebte schon in Stuttgart und er hörte von den Unruhen in Bosnien und lud uns zu sich nach Stuttgart ein. Da wir nicht viele Möglichkeiten hatten, beschlossen wir auszuwandern, besonders wegen unserem damals 4-jährigen Jungen. Also fing 1991 unser Leben in Stuttgart an und es endete 1998.

Wann und warum sind Sie nach Kroatien bzw. Osijek gezogen?
Im Jahr 1997 beschlossen die deutschen Behörden, dass es für die Flüchtigen aus Bosnien Zeit ist, in ihre Heimat zurück zu gehen. Wir bekamen einen Brief in dem alles stand; warum wir in unsere Heimat zurück gehen müssen, bis wann wir in Deutschland bleiben konnten, warum wir in den ganzen Jahren keine deutschen Bürger geworden sind. Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, als ob es gestern war, an dem ich den Brief aufgemacht habe. Die Tränen kamen von ganz alleine… Wir sollen einfach so aus diesem Land gehen, das Teil unseres Lebens geworden ist. Wir hatten uns alles aufgebaut und wir sollten es einfach so verlassen… Real ist alles für uns geworden, als wir in Kroatien mit all unseren Sachen angekommen sind.

Wie fühlten Sie sich, als Sie erfahren haben, dass ihre Zeit in Deutschland zu Ende gekommen ist?
Wie gesagt, die Tränen sind von alleine gekommen als ich den Brief geöffnet habe und begriffen habe, um was es sich im Brief handelt. Ich habe den Brief ein paar mal gelesen um zu sehen ob ich träume oder es real ist. Mein Mann und ich haben uns darüber informiert um zu sehen ob es eine Möglichkeit gibt in Deutschland zu bleiben. Wir haben Vieles versucht, aber das Gesetz sagte seins. Die letzten Monate in Deutschland waren für mich sehr schwer. Mein Mann und ich arbeiteten mehr als sonst, denn wir wussten nicht was uns in Osijek erwartet. Wir wussten nur, dass wir in Osijek für ein paar Monate bei meinen Eltern leben würden. Doch dass Wichtigste war, positiv auf die Zukunft zu blicken.

War es für Sie sehr schwer, Ihr Leben, Ihre Freunde und Ihre Arbeit in Deutschland zu hinterlassen?
Es war sehr schwer. Wir mussten unser ganzes Leben in Deutschland liegen lassen und neu anfangen. Aber zum Glück hatten wir Zeit uns auf den Neuanfang vorzubereiten. Es ist nicht so, dass wir nie in Osijek waren. Wir besuchten in den Ferien unsere Eltern und gingen nach Bosnien, aber über ein Leben in Osijek haben wir uns nie Gedanken gemacht, wir dachten, dass wir in Stuttgart alt werden würden. Mein Mann und ich gingen ein paar mal vor dem Umzug nach Osijek, informierten uns wo es am besten sein würde zu leben, über die Arbeitssituation, die Schulen, Immobilien etc.

Wie sah Ihr Leben in den ersten Monaten in Kroatien aus?
Die ersten Monate waren alles andere als leicht. Das Erste, worum wir uns gekümmert haben, war die Schule für unsere Kinder. Sie sollten sich an ihr neues Leben gewöhnen und sich wohl fühlen. Meine gröβte Angst war es, dass sich meine Kinder nicht integrieren, aber es stellte sich heraus, dass sie es besser geschafft haben, als mein Mann und ich. Mein Mann fand sehr schnell einen Job, was uns sehr erfreute. Ich dagegen nicht. Meine Job war Hausfrau und Mutter zu sein. Es fiel mir sehr schwer, mich an diese Situation zu gewöhnen, denn in Deutschland arbeitete ich 7 Jahre lang. Noch dazu lebten wir bei meinen Eltern. Wir verstanden uns sehr gut, trotzdem mussten wir aufpassen, denn es war nicht unser Eigentum. Doch nach 2 Jahren, war unser Haus fertig und wir sind umgezogen.

Sie haben drei Kinder. Zwei von ihren Kindern haben in Deutschland mit ihrer Schulausbildung angefangen. Wie war es für sie in eine neue und anderssprachige Schule zu kommen?
Als wir erfahren haben, dass wir nach Kroatien umziehen werden, haben wir unsere zwei Kinder an der kroatischen Schule angemeldet. Da es in Deutschland sehr viele Flüchtlinge aus Bosnien gab, hatte man die Möglichkeit, seine Kinder 2 mal wöchentlich zu einem Kroatischkurs zu bringen. Also gingen sie ein Jahr lang dort hin und somit bereiteten sie sich ein bisschen auf ihre zukünftige Schule vor. Wir sprachen auch zu Hause Kroatisch, aber die Kinder sprachen mehr Deutsch, wegen ihrer Umgebung. Zum Glück haben sich unsere Kinder sehr schnell in Osijek integriert und neue Freundschaften geschlossen. Mit der Schule bzw. dem Lernmaterial hatten sie auch keine gröβeren Schwierigkeiten. Deswegen ist mir ein Stein von Herzen gefallen, da ich mir am meisten Sorgen um meine Kinder gemacht habe.

Wie wurden Sie in Osijek von ihrer Umgebung aufgenommen?
In den ersten paar Wochen habe ich mich mehr um meine Kinder gekümmert. Meine Eltern machten uns mit ein paar Nachbarn bekannt, aber so richtig kennengelernt hatten wir keinen. Erst nach zwei, drei Monaten hatten wir Anschluss zu unserer Umgebung gefunden. Mein Mann und ich befreundeten uns mit einem Nachbarspärchen und so erweiterte sich unser Freundeskreis. Mit einigen davon sind wir noch heute sehr gute Freunde. Man kann sagen, dass wir uns etwas später integriert haben, aber dafür sehr gute Freunde gefunden haben.

In Deutschland hatten Sie und Ihr Mann eine feste Arbeit. Wie war die Arbeitssituation nach dem Umzug nach Kroatien?
Es stimmt, in Deutschland hatten wir beide eine feste Arbeit. Ich als Verkäuferin in einem kleineren Geschäft und mein Mann als Busfahrer. Unser Einkommen war für uns genügend. Als wir nach Osijek kamen, hat mein Mann, mit Hilfe meines Vaters einen Job als Busfahrer gefunden. Ich dagegen war eine lange Zeit ohne Arbeit. Es war schwer für mich, da ich 7 Jahre lang in Deutschland gearbeitet habe. Ich habe nach einem Job gesucht, aber fand nichts. Nach 2 Jahren fing ich an als Verkäuferin zu arbeiten und tu es heute noch immer. Ich bin froh in dieser schwierigen Zeit eine Arbeit zu haben.

Welche gröβeren Unterschiede können Sie uns zwischen Deutschland und Kroatien nennen?
Der gröβte Unterschied ist in der Mentalität. Die Deutschen sind viel geschlossener und leben ihr Leben in den eigenen vier Wänden. Die Kroaten, dagegen sind viel offener und kommunikativer. In Kroatien ist es ganz normal, unangemeldet jemanden einen Besuch zu gestatten, in Deutschland regelt man das mit einem Anruf. Meiner Meinung nach ist es besser in Kroatien, was die Gesellschaft angeht. Das Einkommen war in Deutschland besser, aber wir sind glücklich, überhaupt eine Arbeit zu haben. Ich fühle mich besser, sicherer und freier in Osijek. Vielleicht ist es auch weil ich unter „meinen Leuten“ bin. (lacht)

Wenn Sie die Chance hätten wieder nach Deutschland zurück zu ziehen, würden Sie diese wahrnehmen?
Ich muss gestehen, dass ich öfters darüber nachgedacht habe. Ich bin zu keinem Entschluss gekommen. Warum ja und warum nein? Vielleicht hätten meine Kinder mehr Möglichkeiten für eine gute Karriere, aber wer weiss, wie wir jetzt in Deutschland leben würden. Doch in Kroatien bzw. in Osijek fehlt uns nichts, meine Familie und ich sind sehr zufrieden mit unserem jetzigen Leben. Im Groβen und Ganzen kann ich sagen, dass jedes Land seine positiven und negativen Seiten hat. Ich bin froh, dass ich vieles sehen und erleben konnte und eine anderes Land und seine Kultur kennenlernen konnte. Ich erinnere mich sehr gerne an die schöne Zeit in Deutschland, doch in Osijek will ich alt werden.