Fast jeder kroatische Staatsbürger hat selber oder jemanden im Bekanntenkreis, der Erfahrungen als „Gastarbeiter“ in Deutschland gemacht. Doch jetzt haben wir das Blatt einmal umgedreht und versucht, deutsche „Gastarbeiter“ hier in Osijek ausfindig zu machen. Hand aufs Herz, deren Anzahl ist sehr gering und lässt sich nicht mit der in Deutschland vergleichen, doch sie nehmen einen wichtigen und fast unersetzbaren Platz in unserer Gesellschaft ein. Sie engagieren sich in Feldern und Bereichen, die in Deutschland als selbstverständlich gelten, und die von uns leider immer noch vernachlässigt werden.
Bettina Lehmann ist Kulturmanagerin und kam vor zwei Jahren als Stipendiatin der Robert-Bosch-Stiftung (Stuttgart) nach Osijek mit dem Ziel das Osijeker Kulturleben in Schwung zu bringen.
Das Wort „Kulturmanager“ hört man nicht sehr oft in Kroatien, und noch weniger wissen die Menschen, was so eine Person eigentlich macht. Könnten Sie unseren Lesern erklären, was ein Kulturmanager eigentlich macht?
Kulturmanagement ist eigentlich ein wichtiger Bereich, und sollte in jedem Theater, Kino, Ausstellungshalle, Museum, Symphonieorchester und weiterem betrieben werden. Eine Kulturveranstaltung zu entwickeln, Gelder dazu zu finden, Partner zu finden, und verschiedene Leute zusammen zu kriegen ist organisatorische Arbeit. Das unterscheidet sich natürlich je nach Bereich und hier in Osijek bin ich an den Städtischen Galerien tätig, d. h. im Kunstbereich. Ich mache Projekte, und das sieht so aus: ich interessiere mich für etwas, bin ganz zufällig auf eine Idee gekommen, und denke mir, das könnte interessant sein. Dann präzisiere ich diese Idee, d. h. ich schreibe Stichpunkte, denke mir was ich da konkret machen kann, arbeite gerne mit anderen Leuten zusammen. Wenn ich ungefähr weiß, wie ich Idee umsetzen könnte, überleg ich mir, wo man das machen kann, wen man ansprechen könnte, um mitzumachen und wie viel Geld man braucht. Außerdem noch wo das Geld herkommen könnte. In Deutschland gibt es diese Idee, dass Menschen Geld für etwas geben ohne etwas zurück zu bekommen. Hier muss ich das Geld von der Robert-Bosch-Stiftung oder anderen europäischen oder deutschen Stiftungen erfragen. Aber ich renne auch oft von Mensch zu Mensch und frage ob er Sachleistungen bieten kann, z. B. den Druck finanzieren. Irgendjemand gibt manchmal einen Raum kostenlos zur Verfügung, oder eine Brauerei spendiert Getränke, usw. Ich rede auch viel mit vielen Leuten und erzähle immer wieder dasselbe. Ganz wichtig ist, dass man überzeugt ist von seiner Idee.
Da Sie schon zwei Jahre lang hier in Osijek am Kulturwesen wirken, bin ich mir sicher, dass Sie schon einiges an Erfahrungen gesammelt haben. Wie würden Sie, mit Bezug auf Ihre Erfahrung, die Lage der Kulturmanager in Osijek, d. h. Kroatien beschreiben?
Das ist schwer zu sagen. Ich glaube das Kulturwesen existiert hier noch nicht, obwohl es viele Leute gibt, die Kultur machen und im Kulturbereich arbeiten. Aber dieser Begriff Kulturmanagement ist eine relativ neue Erfindung. Er klingt auch ein bisschen albern, obwohl es eigentlich ganz genau das ist, was man macht: man managed, organisiert, koordiniert und man arbeitet im Kulturbereich. Die Lage hier ist fatal, was an den Finanzen liegt. Es ist einfach relativ schwer an Geld zu kommen in Kroatien, und gerade hier. Gestern hatte ich ein Treffen mit dem Leiter der Tourismusbüros in Osijek, der meinte: „Sie sind einfach irgendwie in der falschen Zeit gekommen. Mitten in der Krise.“ Und da hat er vielleicht recht. Man muss viel mehr improvisieren, und ich finde es eigentlich spannender die Vorarbeit zu machen, wenn man richtig überlegen muss. Es gibt einige Leute hier in Osijek, die auch gerne nebenbei und kostenlos im Kulturbereich tätig sind. Die Situation ist generell schwierig. Aber es gibt immer Leute, die sich davon nicht abhalten lassen.
Können Sie uns sagen, wie die Arbeitsbedingungen für Berufstätige Kulturmanager in Kroatien sind?
Es gibt natürlich Kultureinrichtungen, wie Theater, Kinos, auch Alternative. Ich kann natürlich nur für Osijek sprechen, und weiß daher nicht, wie es in anderen kleineren Orten ist. Es ist natürlich viel einfacher in Zagreb, denn Kroatien ist sehr zentralisiert. Die meisten Institutionen, die Geld vergeben, schicken dieses eben nach Zagreb, und blicken nicht weit hinaus. Ich habe das Gefühl, dass es außerhalb Zagreb einen kleinen Kulturkampf gibt – den „Anti-Zagreb“-Kampf. Es gibt noch Kulturszenen in Split und Rijeka, über welche ich gehört habe, dass sie sehr lebendig ist. Leider ist das hier in Osijek nicht der Fall.
Ihre Projekte werden von der Robert-Bosch-Stiftung mitfinanziert, doch wie steht es mit Kroatien? Erhalten Sie finanzielle Unterstützung von unserem Staat?
Ich erhalte von Kroatien überhaupt kein Geld, was aber auch daran liegt, dass ich Kroatien keine Anträge schreibe. Ich habe viele andere Möglichkeiten. Es bieten sich auch andere deutsche oder europäische Stiftungen und sogar die Deutsche Botschaft. Die Galerien in Osijek schreiben aber auch Anträge und bekommen Mittel, die leider viel weniger sind als nötig. Aber immerhin.
Und wie sieht es mit dem Einkommen aus? Kann man vom Einkommen als Kulturmanager in Osijek leben?
Die Leute, die ich in Osijek kenne, können nicht davon leben. Auf gar keinen Fall. Davon Leben ist sehr schwer, zumal es meistens keine regelmäßigen Projekte gibt, sondern Projekte, die einmalig sind. Man kann sich nie darauf verlassen, ob man im nächsten Monat wieder Geld hat. Man muss auch die ganzen Kosten bedenken, die während der Planung des Projekts entstehen, z. B. die ganze Telefoniererei. Einige Leute die Kulturprojekte machen, stellen Anträge für ihre Projekte aus und wenn sie Glück haben, können sie davon ein Honorar für sich selbst einrechnen. Das sind aber keine großen Summen, die nicht einmal die Miete bezahlen können. Es gibt viel mehr Leute, die das Geld aus ihrer eigenen Tasche nehmen, als es reinzustecken, und damit völlig kostenlos arbeiten.
Und wie ist die Lage in Deutschland?
Ich weiß es nicht, und vermute, dass es so ähnlich wie in Kroatien ist. Wenn man an einer Institution angestellt ist, ist es natürlich anders, und man hat ein Gehalt. Aber es gibt leider nur sehr wenige Leute, die das machen, und das Glück haben, fest angestellt im Kulturbereich zu sein.
Könnten Sie uns noch zum Schluss ihre Eindrücke vom kroatischen Berufsleben beschreiben? Und was sind die Unterschiede zwischen dem kroatischen und deutschen Berufsleben, falls es überhaupt welche gibt?
Ich hab in Deutschland nie wirklich gearbeitet und das als richtigen Job betrachtet, sondern eher Freizeitgestaltung. Hier habe ich wirklich einen Job. Ich habe schon oft über diese Frage nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass Netzwerke sehr wichtig sind. Erst jemandem von Außen wird richtig klar, wie wichtig Beziehungen sind. Man muss wissen, von wem man was bekommt, und nicht nur das! Man muss die Leute persönlich kennen, also eine persönliche Beziehung aufbauen. Darüber funktioniert sehr, sehr viel. Aber ich bin mir gar nicht so sicher, ob das in Deutschland jetzt auch nicht so ist. Ich glaube es ist eher weniger persönlich, und es wird weniger zugegeben.
Wir bedanken uns recht herzlich bei Ihnen für dieses Interview, und wünschen Ihnen und Ihren Kollegen weiterhin viel Erfolg mit ihren zukünftigen Projekten!