Das internationale Leben einer Lehrerin

Tihana Mudrovčić



Frau Gal, Sie sind eine Deutsch- und Englischlehrerin. Können Sie ihre bisherige Karriere beschreiben?
Ja. Ich habe Anglistik und Germanistik in Osijek studiert, und jetzt arbeite ich in einem Gymnasium. Vorher habe ich auch in verschiedenen Schulen gearbeitet. Ich habe sowohl Englisch als auch Deutsch unterrichtet. Ich habe mich auch ab und zu mit dem Übersetzen beschäftigt, und habe einen Teil der Encyclopedia Britannica vom Englischen ins Kroatische übersetzt. Ich arbeitete auch als Rezeptionistin in einem internationalen Hostel in Budapest. Da habe ich jeden Tag Englisch und Deutsch benutzt, aber auch ein bisschen Ungarisch gelernt.

Sind Sie mit ihrem Beruf zufrieden?

Ja, ich genieße meinen Beruf sehr. Ich würde sagen, dass ich einen perfekten Job habe. Man ist mit vielen Leuten in Kontakt, man lernt immer was Neues, man hilft vielen Kindern, etwas Wichtiges zu lernen, und man hat oft sehr viel Spaß. Mir gefällt besonders, dass ich nicht acht Stunden in der Schule sein muss, sondern einen Teil meiner Arbeit alleine zu Hause in Ruhe machen kann. Lehrer haben auch viel Ferien. Ich finde die Sommerferien perfekt, denn ich kann die Hitze nicht leiden, und ich fände es unheimlich schwer, bei 30 Grad zu unterrichten. Und auch neue Freundschaften entwickeln sich und man geht manchmal auf Reisen, ins Theater, und arbeitet an interessanten Projekten. Das Schönste ist aber, wenn dich ein Schuler als Vorbild sieht und in dir Inspiration findet, das Gleiche zu studieren.

Viele sagen, dass es sehr anstrengend ist, in einer Schule zu arbeiten. Finden Sie das auch?

Meistens ist es nicht anstrengend. Ich denke, es kommt darauf an, wie man für den Job geeignet ist. Wenn man Kinder nicht mag, dann kann man oder will man sie nicht verstehen, und dann ist alles schwieriger. Es gibt manchmal Kinder, die Probleme haben, und den Unterricht stören, und das kann einen wirklich erschöpfen. Und natürlich, am Ende des Jahres gibt es manchmal viel Stress, weil man immer einsieht, dass noch so viel in weniger Zeit getan sein muss.

Können sie den Tag einer Lehrerin beschreiben?
Lehrer haben keinen typischen Arbeitstag. Jeder Tag ist anders. An einem Tag kann man 5 Stunden arbeiten, und am anderen nur 1 Stunde. Man bereitet sich auch zu Hause oder in der Schule vor. Es gibt noch administrative Aufgaben und verschiedene Sitzungen. Manche Lehrer arbeiten auch am Samstag.

Lohnt es sich überhaupt, Ihrer Meinung nach, hier in Kroatien zu arbeiten?

Natürlich. Die meisten Kroaten wollen hier leben und arbeiten. Aber es ist nicht immer leicht, eine Arbeit zu finden. Wenn jemand ehrgeizig ist, und mehr lernen oder erleben will, ist die beste Lösung, im Ausland zu arbeiten. Man muss da nicht für immer bleiben, denn jede Erfahrung hilft.

Sie lebten auch im Ausland. Wo? Haben sie dort gearbeitet oder?

Ja, ich habe in Kanada gelebt. Ich habe das Land und die Leute sehr gut kennengelernt. Leider konnte ich als Besucher nicht legal arbeiten. Ich habe auch probiert, ein Arbeitsvisum zu bekommen, aber der Prozess ist unheimlich kompliziert, und ich habe diesen Versuch aufgegeben.

Können sie die Umstände in Kroatien mit den Umständen in Kanada vergleichen?

Das Leben und die Leute sind anders als hier. Dort ist jeder sehr selbstständig. Viele arbeiten schon als Teenager, und fast jeder arbeitet als Student. Die Regeln sind nicht so strikt wie hier. Das Studium kostet sehr viel, deswegen arbeiten viele Studenten. Sie haben auch 3-5 Fächer pro Semester, und weniger zu lernen, als wir in Kroatien. Das gleiche passiert in den Schulen. Man lernt nicht so viele Tatsachen wie hier. Alle Schulen sind gleich, also man spezialisiert sich erst an der Uni. Meistens bedeutet ein Universitätsdiplom nicht viel, also studieren die meisten weiter, um einen guten Job zu bekommen. Studenten arbeiten meistens als Kellner, Köche, Verkäufer, und viele andere Jobs, für die sie keine Ausbildung brauchen, was in Kroatien nicht der Fall ist. In Kroatien ist es deswegen viel schwieriger eine Arbeit zu finden, weil man nur den Job machen kann, für den man ein Diplom hat. Jobinterviews sind auch sehr anders. In Kroatien ist es genug, den Lebenslauf zu schicken, um als Lehrerin einen Job zu bekommen. In Kanada dauern Interviews eine Stunde oder sogar länger, was ich selbst erlebt habe. Man wird eine Menge persönlicher Fragen gefragt, was ich nicht so professionell finde. Ich finde Kroatien besser, denn es ist wirklich nicht wichtig, wo ich lebe und welche Filme ich mag.
Menschen in Kanada sind viel kälter als Kroaten. Familienmitglieder sind nicht so eng und Leute generell mischen sich nicht in das Leben anderer. Manchmal hat man das Gefühl, das man nicht interessant ist, aber mit der Zeit lernt man, dass sie nur so tun. In Kroatien nervt das Gegenteil manchmal, wo man zu viel tratscht und alles über alle wissen will. Etwas, was mir überhaupt nicht gefallen hat, ist dass die Leute sehr materiell sind. Das Geld ist sehr wichtig und arme Leute werden als schlecht gesehen, besonders von sehr reichen und erfolgreichen Leuten. Kaufen und haben, das ist das Wichtigste. Familie und Freundschaft nicht so.

Können sie das Schulsystem in Kroatien mit dem in Kanada oder Deutschland vergleichen?

Ich habe schon etwas darüber gesagt. Die Grundschule in Kanada dauert 6 Jahre, und dann gibt es 6 Jahre Mittelschule. Die zwei sind verschiedene Institutionen, wie hier. Alle Mittelschulen sind generell und haben das gleiche Programm, und man besucht meistens die Schule, die am nächsten ist. Manche Schulen gelten als besser, und es gibt auch sehr viele katholische Grund- und Mittelschulen, was in Kroatien nicht der Fall ist. In Englischstunden lernt man sehr wenig Grammatik, und die meisten Kanadier haben keine Ahnung, was ein Substantiv oder Objekt ist. In Kroatien ist das ganz anders. In Kanada lernen die Schüler meistens, wie man Essays schreibt, und sie lesen viel. In allen Schulen kann man die meisten Fächer wählen, nur einige sind ein Muss (wie Englisch und Mathematik). Fremdsprachen sind überhaupt nicht wichtig. Man lernt ein bisschen Französisch in der Mittelschule, aber die meisten vergessen es sehr schnell. Es gibt aber Schulen, wo der Unterricht ganz in Französisch oder Spanisch ist. Kanada ist doch ein Land der Immigranten.

Würden sie in Deutschland arbeiten? Wenn ja, warum?

Ja, sehr gerne! Ich würde gerne in vielen verschiedenen Ländern arbeiten. Deutschland gefällt mir besonders, weil ich Deutschlehrerin bin, und für mich wäre es perfekt, die Sprache noch besser zu lernen. Deutschland ist mir ganz nah, denn ich habe Deutsch studiert und ich weiß viel über das Land. Ich wäre sehr glücklich, wenigstens 6 Monate in Deutschland zu arbeiten. Mehr wäre sogar besser. Es ist immer eine tolle Erfahrung, in einer anderen Kultur zu leben.

Frau Gal, ich bedanke mich sehr, dass Sie Zeit fanden, über Ihrer Job und bisherige Erfahrung als Lehrerin zu sprechen.