Vom Jurastudenten zum Bettwäscheverkäufer

Von Snježana Oštadal

„Junge, gebildete und flexible Juristin (mit Notendurchschnitt von 1,0 und Auszeichnung vom Rektorat) auf der Suche nach Arbeit.“

Klingt nach einer vielversprechenden und kompetenten Person, doch nicht für den Arbeitsmarkt in Kroatien. Die junge Juristin, Tanja G., ist keine Ausnahme in der kroatischen Gesellschaft. Tagtäglich suchen junge Hochschulabsolventen nach Arbeit, schicken Bewerbungsformale ab und erstatten dem Arbeitsamt immer wieder einen Besuch ab, doch ohne viel Erfolg und Aussicht auf Job.
Tanja G. hat in Rekordzeit und mit Bestnoten das Jurastudium beendet, mit der Hoffnung eine Praktikantenstelle zu bekommen und als Gerichtsassessorin ihr zweijähriges Praktikum anzutreten. Schon fast zwei Jahre ist sie auf der Suche nach einem Ausübungsplatz, doch keine Firma nimmt sie. „Juristen haben wir mehr als genug.“, heißt es oft in den Begründungen.
Bei einer Arbeitslosenzahl von 247.147 (nach Angaben des kroatischen Instituts für Arbeit und Wirtschaft) sind die stellenlosen Akademiker zu 4,4 % vertreten. Die Zahl der Hochschulabsolventen im Allgemeinen beträgt 7,5 %.
Nach neusten Untersuchungen bereitet die Jobsuche vor allem im Bereich der Rechts- und Geisteswissenschaften Probleme, da der Bedarf nach jenen am geringsten ist. Junge Menschen in Kroatien sind oftmals verzweifelt, wenn sie zum Arbeitsamt kommen, um nach jahrelangem Studium und der Hoffnung auf bessere Arbeitsaussichten, in einer langen Reihe von Berufslosen zu stehen.
„Sechs Jahre an der Uni, 33.000 Kuna Studiengebühren, 300 gesendete Bewerbungen und das alles um am Ende Bettwäsche zu verkaufen! Ohne gute Beziehungen oder Kontakte der Eltern zu den richtigen Leuten sieht es schlecht aus, wie man an meinem Beispiel sehen kann.“, erklärt der 28-jährige Rechtsgelehrte und alleinerziehende Vater Mladen Ciprić. Nach drei Jaharen Arbeitslosenunterstützung, arbeitet er heute für eine Textilfirma und verkauft Bettwäsche. Die Hoffnung auf eine Stelle in seinem Fachbereich hat er so gut wie aufgegeben.
Richterin der Gerichtsbehörde in Vinkovci, Vesna Sabo, bestätigt die besorgniserregenden Arbeitslosenzahlen der Juristen in Kroatien: „Wenn eine Stelle im Gerichtsamt frei wird, bekommen wir nur aus dem Bezirk Vukovarsko-Srijemska županija um die 60 bis 70 Bewerbungen. Die meisten von ihnen sind qualifizierte junge Menschen mit Diplom in der Tasche, doch es sind einfach zu viele. Man kann eine solche Menge von Juristen in Kroatien nicht unterbringen. Dieses Berufsgebiet ist bei uns einfach überfüllt.“
Im kroatischen Bildungssystem herrscht Chaos – Studenten protestieren gegen die hohen Studiengebühren und den Mangel an Mensen, gegen korrupte Professoren und den fragwürdigen Arbeitsmarkt, der sie erwartet. Vorwürfe und Anklagen häufen sich, Lösungsvorschläge bleiben oft im Schatten.
Auf der einen Seite möchten die meisten Arbeitgeber in Kroatien Angestellte und Beschäftigte mit Arbeitserfahrung, was die Hochschulabsolventen nicht aufweisen können. Auf der anderen Seite gibt es Bildungs- und Beratungszentren, wie z.B. Sunce in Zagreb, die den jungen Menschen (vor allem Studenten) die Möglichkeit geben Volontariate in verschiedenen Bereichen anzutreten und damit Erfahrungen zu sammeln, die im späteren Berufsleben ausschlaggebend sein können. Die Zahl der Volontierenden beträgt dagegen kaum 6 % der Bevölkerung. Am beängstigten ist jedoch das Resultat mehrerer Umfragen, welches besagt, dass 72 % der jungen Kroaten ihre Heimat verlassen würde, um in Ländern wie Deutschland, Österreich oder der Schweiz ihr Glück zu versuchen.
Tanja G. hat die Hoffnung auf eine Praktikantenstelle noch nicht aufgegeben und schreibt weiterhin Bewerbungen. In der Zwischenzeit arbeitet sie im Callcenter. Obwohl es in Kroatien viel zu verändern gäbe und das Rechtssystem einige Mängel aufzuweißen hat, möchte die junge Frau dableiben. Sie erhofft sich vom Eintritt in die EU mehr Arbeitsplätze und bessere Zukunftsperspektiven für Studenten. Tanja ist optimistisch und möchte ihren Glauben an das gute Irgendwann noch nicht aufgeben: „Bildung, neue Ideen und eine fundamentale Rekonstruierung des kroatischen Gesellschaftssystems könnten uns helfen aus solchen Schwierigkeiten, wie wir sie heute haben, herauszukommen.“