Die Deutsch-Kroatische Lebensberatung in Österreich

Von Marina Antunović

Die nun zweifache Mutter Slavica Ilić aus Knittelfeld in Österreich ist seit über zwei Jahren als Dolmetscherin für die kroatische Sprache im «Verein für psychische und soziale Lebensberatung» tätig.


Frau Ilić, Sie leben schon sechs Jahre in Österreich und seit zwei Jahren sind Sie als Dolmetscherin eingestellt. Weshalb haben Sie sich gerade für diesen Beruf entschieden?

Es gibt so viele meiner Landsleute dort, die nach Österreich kamen, heute aber noch (nach über 16 Jahren) wegen mangelhafter Deutschkenntnisse ihre privaten Probleme einer berechtigten Person dieses Faches nicht ausdrücken können, sich aber helfen lassen möchten. Ich bin froh, wenn ich in solchen Fällen eingesetzt werde, um zu einer schnelleren Lösung ihrer Probleme zu verhelfen.


Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen? Haben Sie eine Dolmetscherausbildung absolviert?

Eigentlich bin ich keine diplomierte Dolmetscherin, aber ich hatte Glück, dass man die Muttersprache auf hohem Niveau beherrscht sowie fließend, ja fast perfekt, Deutsch sprechen sollte. Da ich diese Ansprüche in jeder Hinsicht erfüllt habe, setzte sich ein einheimischer Bekannter im Verein für mich ein und ich wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.


Wie lief dieses Vorstellungsgespräch ab? Mussten Sie die vom Verein gestellten Forderungen unter Beweis stellen?

Ja, natürlich. Man drückte mir einen Text in kroatischer Sprache in die Hand, den ich anschließend in geschriebener Form in das Deutsche übersetzen sollte. Logischerweise hatten die Herrschaften dort «den Lösungstest» schon vorliegen, es war aber diese Art vom Test, um ihnen die Sicherheit zu geben, meine Tätigkeit in diesem Verein auch gut meistern zu können.


Beschreiben Sie uns, wie Sie die deutsche Sprache erworben haben.

Während des Bürgerkriegs in Bosnien und Herzegowina fanden damals meine Eltern, meine Schwester und ich Zuflucht in Deutschland. In diesen sieben Jahren besuchte ich regelmäßig eine deutsche Schule. Ich habe mich sehr gut und sehr schnell durch meinen Ehrgeiz integrieren können. Dieses verhalf mir dazu, die deutsche Sprache in Schrift und Sprache zu bewältigen.


Mit welcher Art von Sorgen kommen ihre Landsleute zu ihrem Arbeitsort?

Nun, es sind verschiedene Bereiche von Thematik. Die meisten jedoch handeln von Beziehungsproblemen zwischen den Partnern oder von traumatischen Ereignissen aus dem Bürgerkrieg in Bosnien und Herzegowina. Es gibt auch Klienten mit Integrationsproblemen, aber zu den oben angeführten Beispielen darf ich mich nicht tiefer äußern, denn ich unterliege ebenso wie meine Kollegen (Psychologen, Psychiater, Therapeuten) einer absoluten Schweigepflicht.


Wie verläuft ein solches Seelsorgetreffen ab und wo findet es statt?

Ein solches «Treffen» findet ausschließlich in den Räumen des erwähnten Vereins statt. Es ist mehr oder weniger eine Art «Kaffeekränzchen» unter Freunden, die gemeinsam zur Lösung des (Haupt)Problems verhelfen. Ich sage bewusst «Kaffeekränzchen», denn es wird dem Klienten unter anderem auch etwas zu trinken angeboten, natürlich nur alkoholfreies (lacht). Der Klient kann es sich auch gemütlich machen, sprich sich hinlegen oder auch sitzen bleiben. So ein «Service» ist in anderen Vereinen aber nicht so selbstverständlich.


Wie meinen Sie das?

Es ist uns wichtig, dass der Klient sich bei uns in erster Linie wohl fühlt, um Vertrauen zu uns aufbauen zu können. Man erzählt doch schließlich nicht jeder Menschenseele oder einem Fremden gerne von seinen Intimitäten. Wir verdeutlichen mit dieser Atmosphäre, dass man mit Kummer und Sorge zu uns kommen kann und es uns am Herzen daran liegt, so gut wie möglich diese auch aus der Welt zu schaffen.


Dürfen Emotionen bei solchen Treffen mit im Spiel sein? Immerhin sind es bewegende Momente…

Auch ich bin Mensch und keine Übersetzungsmaschine. Es lässt mich nicht kalt, wenn jemand zum Beispiel von einer Vergewaltigung erzählt und in Tränen ausbricht. Auch mir ist in meiner Tätigkeit als Dolmetscherin eine oder mehrere Tränen vom Gesicht geflossen – das ist schon erlaubt. In so einem Moment wird eine kleine Pause gemacht, bis der Klient sich wieder «gesammelt» hat und fortfahren kann. Ich muss natürlich konzentriert meine Arbeit «weitermachen» und zu Ende führen.


Und wie verarbeiten Sie ihr Mitgefühl?

Der Verein bietet uns Dolmetschern ein so genanntes Reflexionsgespräch nach dem Treffen. In diesem Gespräch werden wir Dolmetscher anschließend selber therapiert - es findet jedoch statt, nachdem die Stunde mit dem Klienten beendet ist. Ich bringe dann den bewegendsten Moment aus meiner Sicht hervor, der mich nach dem Treffen bedrückt. Es ist aber so eine Sache mit uns Dolmetschern: wir müssen uns selbst im klaren sein, dass es «nur» unsere Arbeit ist und danach die Emotionen im Zusammenhang mit dem Klienten abgestellt werden müssen, um im Privatleben normal weiterfunktionieren zu können.


Haben Sie geregelte Arbeitszeiten oder werden Sie nach Bedarf zur Hilfe geholt?

Ich arbeite auf Teilzeitbasis, das heißt ich werde je nach Bedarf eingesetzt.


Wie oft stehen Sie, schätzungsweise, dem Verein monatlich zur Verfügung?

Es kommt vor, dass ich vier bis fünf Mal im Monat dolmetschen muss, aber das hängt natürlich von der Klientennachfrage ab. Manchmal vergehen aber auch ein bis zwei Monate, ohne dass meine Übersetzungshilfe benötigt wird.


Sie sind ja neben diesem Beruf Hausfrau und Mutter zweier Kinder. Wie bringen Sie das alles unter einem Hut?

Ein solches Treffen wird nicht kurzfristig festgelegt. Es wird ein nächstmöglichstes Datum vereinbart, der uns allen am günstigsten erscheint. Somit habe ich freie Hand bei der Organisation meiner Arbeitszeiten im Voraus und unter anderem kann ich rechtzeitig für meine Kinder einen Babysitter engagieren.