Neuer Beginn in einem fremden Land

Von Tanja Ivković

Viele sind wegen besserer Lebensumstände in den 60ern und auch wegen des Krieges in den 90er Jahren des zwanzigsten Jahrunderts aus Jugoslawien nach Deutschland emigriert. Eine von diesen Emigranten ist auch Justinia, die aus sozialen Gründen emigrierte. Justinia und ihre Familie verließen ihre Heimat auch wegen der ungünstigen politischen Situation, um eine bessere Zukunft in einer demokratischen Gesellschaft zu finden. Ich habe Justinia interviewt, weil sie 42 Jahre lang in Deutschland gelebt und gearbeitet hat. Sie lebt bis heute mit ihrer Familie in Deutschland. Justinia kann vielen Menschen ein gutes Beispiel geben, wie sie ihr Leben verbessern können. Sie hat mich angeregt, Deutsch zu studieren und sie war immer mein Vorbild, wegen ihrer Ausdauer und Offenheit.


Justinia, wann und warum sind Sie nach Deutschland gezogen?

Ich habe das ehemalige Jugoslawien im Jahr 1968 verlassen, als ich 26 Jahre alt war. Das war die Zeit als viele Leute aus Jugoslawien emigrierten und meistens sind sie nach Deutschland gegangen. Ich bin, wie viele andere aus sozialen Gründen emigriert. Ich habe gehört, dass man in Deutschland viel mehr Geld, als in Kroatien verdienen kann und dass man seinen Kindern ein besseres Leben ermöglichen kann. Kroatien war damals ein sozialistisches Land, Arbeiterlöhne waren nicht so gut wie in Deutschland und in den anderen kapitalistischen Staaten. Ich bin mit meinem Ehemann und meiner Tochter nach Frankfurt gezogen. Einige unserer Verwandten waren schon in Frankfurt und anfangs haben wir bei ihnen gelebt, bevor wir zu arbeiten angefangen haben.

Worauf haben Sie gehofft beim Umzug nach Deutschland?
Wir erhofften uns, dass wir nicht nur in einer besseren Gesellschaft leben würden und mehr verdienen würden, sondern auch dass wir unsere Kinder in einer sicheren Gesellschaft aufbringen können. Wir hofften auch, dass wir gut von der Gesellschaft akzeptiert werden und dass wir viele gute Leute kennenlernen werden. Mein Ehemann und ich haben unsere Tochter Romana in den Kindergarten geschickt, weil meine Eltern nicht mit uns in Deutschland waren. Es war ein bisschen schwierig, ein Kind ohne Hilfe der Großeltern zu erziehen weil wir beide arbeiten mussten. Als wir begonnen haben zu arbeiten, haben wir uns eine kleine Wohnung kaufen können. Ich wusste auch, dass wir sehr viel arbeiten werden müssen, aber ich wusste, dass man uns dafür auch bezahlen würde.

Wo haben Sie gearbeitet?

Ich habe als Krankenschwester in einem umliegenden Krankenhaus gearbeitet. Der Lohn war am Anfang nicht so gut, aber es war viel höher als in Kroatien. Ich musste auch Überstunden machen und es war sehr schwierig, jedoch wurde man sehr gut für diese Überstunden bezahlt.

Wie wurden Sie am Arbeitsplatz behandelt?

Die Arbeitsbedingungen waren sehr gut. Ich brauchte ein bisschen Zeit am Anfang, um mich an die sogenannte deutsche Schnelligkeit, an dieses Tempo des Lebens zu gewöhnen. Ich habe sehr viel gearbeitet auch an Wochenenden. Ich war bereit viel zu arbeiten, aber ich war auch sehr gut dafür bezahlt. Zu dieser Zeit konnte man sehr viel verdienen und sehr gut davon leben, wenn man fleißig war. Die Leute mit einer besseren Bildung hatten auch bessere Löhne, aber für mich war mein Lohn sehr befriedigend.

Wie würden Sie ihren Job in Kroatien mit dem Job in Deutschland vergleichen?
Der Unterschied zwischen meinem Job in Kroatien und dem in Deutschland ist sehr groß. Man wird in Deutschland viel besser bezahlt als in Kroatien für den gleichen Job und die Arbeitsbedingungen sind auch viel besser. Als ich nach Deutschland kam, habe ich erst bemerkt dass es in Deutschland neuere Maschinen, neuere Betten und größere Räume gibt. In Kroatien, muss ich gestehen, gibt es auch Nepotismus, also man bevorzugt immer seine Verwandten bei der Arbeit und das gibt es in Deutschland überhaupt nicht. In den kroatischen Krankenhäusern musste es auch, ich weiß nicht ob es immer noch so ist, eine bestimmte Anzahl von nationalen Minderheiten geben und in Deutschland ist es nur wichtig, dass man ein guter Arbeiter ist. In Deutschland muss man viel arbeiten und die Konkurrenz ist sehr groß, wodurch ich gezwungen war, ehrlich zu arbeiten. In Kroatien und im ehemaligen Jugoslawien waren die Arbeiter sehr beschützt und man konnte keine Kündinung bekommen, wenn man ein Mitglied der Partei war. In Deutschland war es nicht wichtig ob man Deutscher oder Kroate war.

Welche Unterschiede gibt es zwischen dem Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeiter in Deutschland und in Kroatien?

Das Verhältnis zwischen den Angestellten und einem Arbeitgeber in Deutschland ist sehr korrekt. In Kroatien waren die Arbeiter sehr beschützt und man konnte sich auch leisten, ein schlechter Arbeiter zu sein, aber man konnte das nicht in Deutschland machen. Jeder musste seinen Job korrekt und gut machen und dann würde man sehr viel verdienen, und wenn einer nicht arbeiten wollte, dann wurde er gefeuert. Am Anfang scheinen die Arbeitgeber alle sehr berechnet und kalt zu sein, aber wenn man sie ein bisschen kennenlernt, dann sieht man, dass sie sehr professionell sind. Ich habe niemals eine schlechte Erfahrung gemacht.


Wie waren sie mit dem Lohn und mit der Arbeit zufrieden?

Ich war sehr zufrieden, ich hatte genug Geld meine 2 Kinder, Romana und Renata, in guten Schulen und an eine gute Universität zu schicken. Die Löhne in Deutschland sind hoch, aber die Preise sind auch hoch. Ungeachtet dessen, hatten wir genug Geld, im Winter Ski laufen zu gehen und im Sommer die kroatische Küste zu besuchen.

Hatten sie Probleme mit der Sprache an ihrem Arbeitsplatz?

Ja, ich hatte sehr viele Probleme mit der Sprache und Aussprache, weil ich in Kroatien kein Deutsch gelernt hatte. Aber mein Ehemann sprach sehr gut Deutsch und er und meine zwei Töchter halfen mir sehr viel. Innerhalb eines Jahres habe ich Deutsch gelernt. Ich konnte mich mit den anderen Leuten gut verständigen. Wenn man als Krankenschwester arbeitet, ist es sehr wichtig, dass man seine Patienten versteht und dass man mit seinen Patienten kommunizieren kann. Manchmal hängt das Leben des Patienten davon ab. Die Patienten waren mein größtes Motiv, Deutsch zu lernen.

Was hat euch die Arbeit in Deutschland ermöglicht und was hat sie erschwert?
Es war für mich sehr schwierig, weil ich meine Eltern nicht sehen konnte. Ich habe sie nur einmal pro Jahr gesehen. Die Arbeit in Deutschland hat mir ermöglicht, ein angenehmes Leben zu führen und meine Kinder auszubilden. Die Kinder waren in einer Demokratie erzogen und sie haben glücklicherweise den Krieg nicht gesehen. Sie sind in einer liberalen Gesellschaft aufgewachsen und ihnen fehlte es niemals an etwas.

Wann sind Sie in Pension gegangen und warum?

Ich wurde pensioniert wegen eines Unfalls am Arbeitsplatz. Ich habe eine hohe Pension und ich habe genug Geld für die Medikamente und Therapien. Jeden Sommer gehe ich nach Kroatien und ich versuche viel zu schwimmen, wegen meiner Gesundheit.