Insgesamt 14 mal umgezogen

Von Ivica Radman

Gordana Radman ist eine Kroatin die fünf Jahre lang in Deutschland lebte. Der Heimatkrieg zwang sie und ihre Familie Bosnien zu verlassen und nach Deutschland zu fliehen.

Frau Radman, sie sind in Bosnien geboren. Warum mussten sie nach Deutschland gehen?
Nun, als der Heimatkrieg ausbrach, musste ich mit meiner Familie nach Deutschland fliehen. Wir sind als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen im Jahre 1991, weil das Leben in Bosnien nicht mehr sicher war. Während des Krieges war es sehr schwer für uns einen klaren Kopf zu haben, doch wir entschlossen uns nach Rosenheim zu gehen, da wir dort schon einige Verwandte hatten. Sie haben uns Unterkunft und Unterstützung gegeben. Nach Deutschland sind wir mit dem Flugzeug gereist; zuerst ich mit meinen zwei Kindern und ein paar Wochen danach kam auch mein Ehemann zu uns.

Wir war Ihr Leben in den ersten paar Wochen in Deutschland?

Es war schrecklich. Wir mussten unser Heimatland verlassen und wir haben alles verloren, was wir dort besaßen. Nun befanden wir uns in einer völlig neuen Umgebung, wo wir unser Leben neu anfangen mussten. Wir waren noch immer unter Schock wegen der ganzen Sache, doch unsere Verwandten haben uns unterstützt, wo immer sie auch konnten. Wie schon gesagt, sie haben uns Unterkunft gegeben bis wir eine Bleibe fanden. Natürlich konnten wir ja nicht ewig bleiben, denn unsere Verwandten hatten auch ihre eigenen Probleme. So gingen wir in ein Wohnheim, wo man viele Nationalitäten finden konnte; Türken, Russen, Chinesen, und viele andere.

Was können Sie mir über Ihr Leben im Wohnheim sagen?

Tja… es war wirklich voll. Wohin man auch schaute, es wimmelte von Menschen. Es kam mir vor, als ob die ganze Welt hier wäre, denn es gab einfach so viele Menschen, die aus verschiedenen Ländern kamen. Sie haben sicherlich ein ähnliches Schicksal wie wir erlebt. In dem Wohnheim hatten wir nur ein kleines Zimmer. Wir mussten das Bad und die Küche mit den anderen Mitbewohnern teilen. Aber das war uns völlig egal, denn das Wichtigste war, dass ich und meine Familie zusammen waren.

Hatten sie in Deutschland jemals einen festen Wohnsitz?

Ja, aber das dauerte eine Weile. Zuerst wohnten wir bei mehreren Verwandten; in Bielefeld, Bochum, Stuttgart und Rosenheim. Wie sie sehen, haben wir schon vier Städte gewechselt. Dann kam die Zeit, in der wir in Wohnheimen wohnten. Dort mussten wir uns wieder mal auf ein ganz anderes Leben einstellen. Da ja viele andere Ausländer nach Deutschland kamen und somit die Wohnheime voll waren, wurden wir in andere Wohnheime versetzt. Insgesamt haben wir in etwa fünf Wohnheimen gewohnt. Außerdem haben wir auch ein paar Wohnungen gewechselt. Die letzte Wohnung war auch unser fester Wohnsitz. Diese Wohnung war in Gelsenkirchen, in der Polsumer Straße.

Haben sie und ihr Ehemann in Deutschland etwas gearbeitet?

Ja. Meinen Unterhalt habe ich als Putzfrau verdient. Das bereitete mir überhaupt keine Schwierigkeiten, denn ich arbeitete auch in Bosnien als Putzfrau. Außerdem mag ich es, wenn alles schön blitzblank und sauber ist. Mein Ehemann ist Automechaniker und er hat eine Stelle bei einem Auto-Service gefunden. Außerdem habe ich auch auf Kinder aufgepasst.

Erzählen Sie mir doch bitte, wie das Aufpassen von fremden Kindern so war?

Ich muss gestehen, dass es mir große Freude bereitete, auf Kinder aufzupassen. Ich liebe einfach Kinder und es gibt für mich nichts Schöneres als mit Kindern zu spielen. Die Kinder, auf die ich aufpasste, liebten mich einfach. Ich erinnere mich, wie sie mich Tante Gordana nannten, obwohl wir ja nicht verwandt waren. Das fand ich so süß. Ich hab’ ja auch zwei eigene Kinder und somit war es mir auch viel leichter, Kinder zu verstehen. Aber trotzdem war es eine große Verantwortung, auf fremde Kinder aufzupassen. Gott sei Dank verlief alles gut.

Wie kommt es, dass sie nach Kroatien kamen?

Nun, unsere Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland ist abgelaufen. Wir lebten dort fünf Jahre lang, doch wenn wir nur noch ein Jahr länger geblieben wären, hätten wir eine deutsche Staatsangehörigkeit bekommen. Aber es ist, wie es ist. Hauptsache ist, dass wir zusammen bleiben, wohin wir auch gehen. Nach dem Krieg kamen einige Verwandte nach Kroatien und somit entschlossen wir uns, auch dort hinzugehen. Im Jahre 1997 sind wir in Kroatien angekommen, um wieder ein mal ein neues Leben zu beginnen.

Wie haben sie sich in diesem neuen Land zurechtgefunden?

Es war wie in Deutschland, denn wir mussten alles von vorne an anfangen. Wir wohnten wieder mal bei einigen Verwandten und wechselten ein paar Wohnungen. Doch das größte Problem war, sich an das neue Leben in Kroatien zu gewöhnen, denn es ist einfach anders als in Deutschland. Das Leben ist hier irgendwie schwieriger.

Ich sehe, dass sie schon oft umgezogen sind und mehrmals ein neues Leben anfingen. Was gibt Ihnen die Kraft, solche Hindernisse zu überwinden?

Das stimmt. Wenn ich jetzt alles schön zusammenzähle, dann sind wir insgesamt 14 mal umgezogen. Immer wieder mussten wir unsere Sachen packen und eine Bleibe suchen. Manchmal fühlte ich mich wie ein ewiger Siedler, der ständig von einem Ort zum anderen zieht. Gott sei Dank haben wir endlich auch unser eigenes Haus gefunden. Doch die Liebe zu meinen Kindern und der feste Glaube an Gott hat mir immer neue Kraft gegeben. Außerdem hat mich das Leben in Deutschland und Kroatien stärker gemacht. Was auch immer im Leben kommt, ich werde es mit meiner Familie zusammen durchstehen.