Die Frau im Seidenhemd

Von Andrea Cakic


Lydia Scheuermann Hodak ist eine deutschstämmige Kroatin, die schon seit ihren Studentenzeiten in Osijek lebt und nun als Gerichtsdolmetscherin für die deutsche Sprache arbeitet. Außerdem ist sie eine freie Schriftstellerin, die mehrere Theaterstücke, Erzählungen, eine Komödie und drei Romane geschrieben hat.


Frau Scheuermann- Hodak wann haben Sie angefangen zu schreiben?
Seitdem ich mich kenne, habe ich es geliebt zu schreiben. Sehr früh kam ich in Berührung mit der klassischen Literatur, d.h. mit 13 oder 14 Jahren habe ich Thomas Mann, Dostojewski oder Tolstoi gelesen. Seitdem habe ich es mir gewünscht in meinem Leben genügend Zeit zum Schreiben zu haben. Aber wir es eben im Leben vorkommt, habe ich geheiratet, Kinder bekommen und eine Zeitlang als Informatikerin gearbeitet. Erst als die Kinder groß geworden sind und ihre Schule beendet haben, habe ich genügend Zeit gefunden, um endlich mit Schreiben anzufangen. Die Aggression gegen Kroatien war der Auslöser dafür, dass ich meinen Job als Informatikerin gekündigt habe, um als freie Schriftstellerin und Gerichtsdolmetscherin zu arbeiten und um genug Zeit zum Schreiben zu haben. Ich wollte diese Zeit und Ereignisse festhalten; über sie zeugen damit sie nicht vergessen werden.

Woher nehmen Sie die Themen für ihre Werke?
Die Themen kommen von selbst. Als beste Antwort auf Ihre Frage zitiere ich das Motto aus meinem Buch „Freesien und noch so einiges mehr“: „Wozu ausdenken? Die Wahrheit ist unwahrscheinlich genug.“

Alles was im Alltag passiert, mir oder meinen Mitmenschen, Bekannten, Freunden, im Land kann zum Thema meiner Werke werden.

Möchten sie ein bestimmtes Publikum mit ihren Werken ansprechen?
Eigentlich nicht. Als ich angefangen habe zu schreiben, hatte ich das Bedürfnis, die Geschehnisse festzuhalten. Und heute ist das Schreiben fast wie eine Sucht für mich. Ich schreibe, weil ich schreiben muss. Ich sage jeden Morgen: Gott, lass bitte heute keine Klienten kommen, damit ich genug Zeit zum Schreiben habe. Aber dann besinne ich mich schnell und denke: Lass doch einige kommen, denn ich muss auch von etwas leben.

Kann man also heutzutage in Kroatien nur vom Schreiben leben?
Vielleicht doch, wenn man Glück hat und Bestsellerautor wird, aber auch dann schwer, denn wir sind ein kleines Volk von etwa 4 Millionen Menschen. Außerdem wurden viele durch den Krieg verarmt und dementsprechend steht der Kauf der Literaturwerke bei den meisten ganz unten auf der Einkaufsliste.

Auf welches von Ihren Werken sind Sie am meisten stolz und warum?
Was heißt stolz? Oft melden sich ganz unbekannte Leser bei mir und das ist für mich die beste Kritik. Wenn ein Buch oder ein Theaterstück geschrieben ist, geht es seine eigenen Wege. z.B., das Monodrama „Marijas Bilder“ hat einen ganz seltsamen Weg eingeschlagen, es ist weltweit aufgeführt, in viele, sogar ganz exotische Sprachen, wie Arabisch und Farsi übersetzt, zum Lehrstoff an der George Washington University und Princeton University gewählt, um erst nach 12 Jahren auf unsere Bühnen zu kommen. Vielleicht sind die Romane „Die Schlange um den Hals I und II“ doch meine beste Werke. Ich vermute es, aber ich weiß es nicht genau. Meine Gefühle gegenüber dem Roman „Die Frau im Seidenhemd“ sind ziemlich gespalten. Deutsch ist nicht meine Muttersprache, es ist eine selbstbeigebrachte Fremdsprache, aber dieses Buch habe ich in Deutsch geschrieben, jedoch mehrere Jahre nicht veröffentlicht, weil es mir zu privat zu sein schien. Nun wo es in beiden Sprachen veröffentlicht ist, niemand findet es auf mich bezogen sondern viele fühlen sich durch den Roman angesprochen und drinnen beschriebene Situationen auf ihre Person und Privatgeschichte bezogen.


Sie schreiben sowohl in der kroatischen als auch in der deutschen Sprache. Wie entscheiden Sie sich, in welcher Sprache sie ihr nächstes Werk schreiben werden?

Ich kann nicht sagen, dass ich mir vor dem Schreiben eine Sprache aussuche, in der ich mein Werk verfassen werde. Kroatisch ist meine Muttersprache und in dieser Tatsache liegt meine Zuversicht, dass ich mich in dieser Sprache besser auszudrücken vermag. So konnte ich meine Romane „Die Schlange um den Hals“ nicht ins Deutsche übersetzen, ich habe es auch nicht versucht, weil man die Literatur nur in die Muttersprache gut übersetzen kann. Ich bin nicht bilingual aufgewachsen und fast alles worüber ich schreibe, habe im Kroatisch erlebt. Die Dramen, schreibe ich in beiden Sprachen gleichzeitig. Die Theaterstücke erlauben uns nicht einen Gedankenfluss, wie es in Prosastücken oft vorkommt, zu verfolgen, sodass die Fremdsprache eine gewisse schöpferische Freiheit bedeutet. Den Roman „Die Frau im Seidenhemd“ habe ich zufällig in Deutsch geschrieben, weil der Stoff, der als Vorlage für dieses Buch gedient hat, mit dem Theaterfestival in Braunschweig zu tun hatte, wo ich alles in Deutsch oder Englisch erlebt habe.


Ihr Roman heißt „ Die Frau im Seidenhemd“. Das ist ein interessanter Name. Wie kommen sie auf die Namen ihrer Werke?

Ich denke nie über den Namen meines Buches nach, denn er stellt sich irgendwann von allein heraus, während ich noch am Text arbeite.

Was bedeutet die Szene im Roman mit dem Seidenhemd für Sie, denn schließlich wurde der ganze Roman nach dieser Szene benannt?
Diese Bluse war ein Meilenstein für mich, denn ich habe sie an einem Wendepunkt in meinem Leben gekauft. Es war ein Geschenk an mich selbst, weil ich diesen Wendepunkt trotz aller Schwierigkeiten gemeistert habe. Nur, da ich 300 Seiten brauchte um es zu schildern, wäre es unkorrekt meinen zukünftigen Lesern/innen mit einer Kurzbeschreibung die Butter vom Brot zu nehmen. Die „wichtige“ Bluse wurde weder an- noch ausgezogen, sondern entwendet! Es ist aber kein Frauen- oder Liebesroman!


Wie lange haben sie an diesem Roman geschrieben?

Nicht lange. Zwei und halb Monaten etwa.


Das ist nicht viel Zeit, schließlich ist der Roman über 300 Seiten lang.

Das stimmt, aber das liegt daran, dass ich meine Werke sozusagen zuerst „im Kopf schreibe“. Ich mache mir keine Notizen oder Skizzen, wie ich etwas schreiben möchte, sondern ist das ganze Material im meinem Kopf. Wenn ich es schließlich auf ein Blatt Papier übertragen möchte bzw. auf meinen Computer, dann kann ich nicht schnell genug tippen. Es ist wie das Abschreiben eines Textes, nur dass sich dieser im meinem Kopf befindet. Die Qual „ leeres Blatt Papier“ kenne ich beim Schreiben nicht. Ich kann mir selbst nicht erklären, wo all die Sätze, Wörter und Ideen her kommen, wenn ich schreibe. Ich komme mir vor wie eine Transmission durch die der Text kommt, den ich dann nur niederzuschreiben habe. Wenn mir letztendlich mein fertiges Buch in die Hände kommt, staune ich manchmal und kann kaum glauben, dass ich diese Sätze und Wörter geschrieben habe.


Vielen Dank für ihr Interview Frau Scheuermann Hodak

Danke für Ihr Interesse über mein Buch zu berichten. Es ist keine leichte Aufgabe.