Ein Leben in Deutschland

Von Marijana Miloš


Slaven Miloš ist Kroate und lebte einige Jahre in Deutschland. Er erzählt über sein Leben als Ausländer, über seine Erfahrungen mit anderen Kulturen und wie er sich an das neue Leben gewöhnt hat.


Wann bist du nach Deutschland gekommen und warum?

Im Jahre 1994 bin ich mit meiner Familie nach Bielefeld gezogen. Damals war ich sieben Jahre alt und sollte gerade in die erste Klasse eingeschult werden. Wir sind als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, weil wir in Bosnien nicht mehr sicher waren. Während des Heimatkrieges ist unser Haus niedergebrannt, unsere Wohnung wurde uns weggenommen und wir mussten alles, was wir hatten verkaufen, um zu überleben. Als die ersten Grenzen geöffnet wurden, ergriffen wir die Chance und flüchteten aus Bosnien. So kamen wir nach Deutschland um ein neues und sicheres Leben zu beginnen.


Wie war das Leben dort für dich am Anfang?

Am Anfang war ich sehr froh darüber, dass ich in ein Land gekommen bin, wo kein Krieg geführt wurde. Wir lebten zuerst in einem Heim für Flüchtlinge. Meine Eltern und ich hatten ein kleines Zimmer mit Bad und Küche und das reichte uns auch nachdem wir im Krieg alles verloren hatten. Wir waren Sozialhilfeempfänger und das störte mich auch nicht, denn die Hauptsache war, dass wir ein Dach über dem Kopf hatten und endlich sicher waren.


Wie war dein erster Schultag in Deutschland?

Nach einigen Monaten in Deutschland kam der Tag als ich zum ersten Mal in die Schule gehen musste. Mein erster Schultag war sehr schwer und emotional. Ich fühlte mich als Außenseiter, denn die anderen Kinder kannten sich alle aus dem Kindergarten und ich war das neue Gesicht unter ihnen. Einige von ihnen lachten mich aus; sie fragten mich etwas und ich konnte ihnen nicht antworten, denn ich konnte noch kein einziges Wort Deutsch. Ich überlebte irgendwie meinen ersten Schultag, aber ich fühlte mich schrecklich. Zu Hause habe ich nur noch geweint und wollte nicht mehr in die Schule, denn ich fühlte mich weniger wert als die anderen.


Wie haben deine Eltern darauf reagiert? Hat dir jemand geholfen?

Meine Eltern hatten sehr viel Verständnis für mich. Sie kauften mir verschiedene Wörterbücher in der Hoffnung, dass ich auf diese Weise schneller Deutsch lerne. Sie wussten genau wie ich mich fühlte; moralisch haben sie mich sehr unterstützt, aber letztendlich musste ich selbst Deutsch lernen und mich anpassen. Meine Klassenlehrerin hat mir dabei sehr geholfen. Sie schickte mich zum Förderunterricht und auf diese Weise sollte ich so schnell wie möglich Deutsch lernen. Im Förderunterricht fühlte ich mich nicht als Außenseiter, denn daran nahmen alle Kinder Teil, die Probleme mit der deutschen Sprache hatten. Unter ihnen waren Kinder aus verschiedenen Ländern, die mich nicht auslachten, wenn ich einen Fehler machte, denn wir teilten das gleiche Problem. So begann ich Deutsch zu sprechen und die ersten Freundschaften in Deutschland zu schließen.


Wie sah dein Leben danach aus?

Mein Deutsch wurde immer besser und es dauerte nicht lange bis ich die Sprache perfekt beherrschte. Ich gehörte zu den besten in meiner Klasse und habe sogar den anderen Schülern mit der deutschen Grammatik geholfen. Ich hatte viele Freunde und die meisten von ihnen waren Türken, Italiener oder Polen. So lernte ich einige Wörter oder Ausdrücke in verschiedenen Sprachen und hatte die Möglichkeit neue Kulturen kennenzulernen. Außerdem habe ich Basketball trainiert; am Wochenende haben wir immer gegen verschiedene Mannschaften gespielt und so habe ich meine Freizeit verbracht. Zu diesem Zeitpunkt war ich sehr glücklich und hatte mich an das Leben in Deutschland gewöhnt, aber dann geschah etwas, was mein Leben komplett veränderte. Wir bekamen von der Ausländerbehörde die Nachricht, dass wir Deutschland verlassen müssen und das war ein riesiger Schock für mich.


Wie hast du deine letzten Tage in Deutschland verbracht und wie hast du dich dabei gafühlt?

Zuerst wollte ich es überhaupt nicht glauben, denn ich wusste was mich zum zweiten Mal erwartet. Ich habe meinen Freunden bescheid gesagt und sie bereiteten eine Abschiedsfeier für mich vor. Wir waren alle sehr traurig und ich bekam von ihnen Abschiedsgeschenke damit ich sie niemals vergesse. Ich war sehr unglücklich.


Wohin seid ihr dann gezogen und wie war es am Anfang?

Wir zogen nach Kroatien, genauer gesagt nach Slavonski Brod. Ich kam in die sechste Klasse und musste von vorne anfangen. Mein Kroatisch war gut, aber ich habe sehr viele Fehler gemacht und der Unterrichtsstoff war viel schwieriger als in Deutschland. Ich habe sehr viel gelernt und wurde ein ausgezeichneter Schüler. Die Grundschule habe ich in Kroatien abgeschlossen und kam dann ins Gymnasium. Meine Deutschkenntnisse haben mir im Gymnasium sehr geholfen. Wir hatten Deutsch als Fremdsprache und das war mein Lieblingsfach, weil ich nichts lernen musste.


Wie ist der Kontakt zu deinen Freunden in Deutschland?

In der ersten Zeit hatten wir regelmäßigen Kontakt. Wir haben uns Briefe geschrieben und telefoniert, aber mit der Zeit haben wir den Kontakt verloren.


Was studierst du und helfen dir dabei deine Deutschkenntnisse?

Ich studiere Deutsch und Kroatisch in Zagreb. Die beiden Sprachen haben mein Leben gekennzeichnet und das ist auch der Grund warum ich sie studiere. Ohne meine Deutschkenntnisse hätte ich mich zu diesem Studium bestimmt nicht entschlossen, denn die deutsche Sprache und Grammatik sind sehr schwer.


Wenn du zurückblickst, wo ist es besser, in Deutschland oder in Kroatien?

Die fünf Jahre in Deutschland sind unvergesslich. Am Anfang war es sehr schwer, aber es war eine tolle Erfahrung. Das Leben in Kroatien ist anders als in Deutschland; hier hat man nicht so viele Möglichkeiten wie dort, aber Kroatien ist meine Heimat und das wird immer so bleiben.