Ein Kroate aus Deutschland

Von Jelena Slijepčević

Boris Crnković, ein erfahrener Bäcker in Osijek mit Deutschkenntnissen, die ihm heute, gesteht er, zwar nicht mehr viel zu Nutzen sind, aber immer daran erinnern, dass er die Verbindung zu Deutschland doch nicht verloren hat. Über das Leben in Deutschland als Ausländer, den positiven und negativen Auswirkungen des Deutschen auf seine Muttersprache und seiner Rückkehr nach Kroatien erzählt er bei einem Kaffee.


Boris, wann bist du nach Deutschland gezogen?

Das war schon 'ne schlimme Zeit, 1991 – der Heimatkrieg in Kroatien. Daran erinnere ich mich nur ungern.


Gut, dann kommen wir doch gleich zu deinem Leben in Deutschland. Wie alt warst du damals und wie hast du dich überhaupt zurechtgefunden?

Ich war damals um die zehn Jahre alt. Das war 'ne große Veränderung für mich, vor allem für die Sprache. Ich erinnere mich noch ganz gut, ich konnte natürlich kein einziges Wort Deutsch. Deswegen bin ich in die Förderklasse gegangen.


Erkläre doch bitte genauer – was ist das, eine Förderklasse?

Ja, also, das ist eine Klasse ausschließlich für die Ausländer. Die Klasse war sehr bunt - also, dort waren Kinder verschiedener Nationalitäten, von Türken und Russen, bis zu Kroaten.


Wie sah denn euer Unterricht aus?

Normal, wie wenn man eine fremde Sprache lernt. Man fing mit den einfachsten deutschen Wörtern an, die wir durch Bilder lernten.


Hattest du Probleme die deutsche Sprache zu lernen?

Auf keinen Fall! Ich fand das sehr interessant. Aber viele hatten da schon ihre Probleme.


Welche?

Zum Beispiel, mit den Zahlen. In ihrer und auch in meiner Sprache sagt man nähmlich zuerst die rechte und dann die linke Zahl. Aber im Deutschen ist das ja umgekehrt, da war'n sie schon durcheinander. Ich hab' immer sehr darauf geachtet.


Dann hast du ja Talent für Sprachen, oder?

Keine Ahnung, ich hab' nur Deutsch gelernt. Aber danke für's Kompliment! Ich denke einfach nur, dass die Tatsache, dass ich noch ziemlich jung war und meine positive Einstellung zur deutschen Sprache dazu beigetragen haben. Warscheinlich gehört aber dann dazu auch ein wenig Talent.


Hattet ihr in der Förderklasse auch andere Fächer, außer Deutsch?

Ja, Mathe, Musik und… ach, ich kann mich jetzt nicht mehr erinnern was noch.


Wie lange warst du in der Förderklasse?

Zwei Jahre lang.


Und dann?

Dann bin ich ganz normal weiter in die Grundschule gegangen.


Was war denn eigentlich mit der deutschen Grammatik, die ja bei den Kroaten bekannt dafür ist, dass sie ziemlich kompliziert ist?

Das hab' ich auch komischerweise ziemlich gut gemeistert, da muss ich mich doch jetzt glatt selbst darüber wundern! Nähmlich, die Russen, zum Beispiel, hatten da schon ihre komischen Sätze. Das fand ich lustig.


Zum Beispiel?

Zum Beispiel, 'Boris, ich nix gut Deutsch könne', so ähnlich. Es war schon ziemlich schwierig für viele, besonders auch bei der Aussprache.


Warst du mehr mit den Ausländern oder mit den Deutschen befreundet?

Ich war mit allen gut befreundet, aber meistens waren es dann doch die Ausländer. Wir machten halt zu dieser Zeit dieselben Erfahrungen…


Die Deutschen haben euch Ausländer also keineswegs verspottet?

Natürlich gab es immer welche die auf uns Ausländer anders schauten, aber das war nur am Anfang – Kinder sind halt so. Schnell vergessen die das wieder, besonders wenn man sich ihnen und ihrer Sprache anpasst.


Konntest du damals Deutsch genauso gut wie Kroatisch?

Ja.


Und deine Eltern?

Auf keinen Fall! Sie konnten sich zwar auf Deutsch verständigen, aber nicht annähernd so gut wie ich, ha, ha.


Was hast du nach der Grundschule gemacht?

Dann habe ich eine Lehre als Bäcker angefangen.


Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Mein Onkel besaß in unserer Nähe eine Bäckerei, daher die Idee…


Hast du bei ihm dann auch gearbeitet?

Dazu kam es leider nicht mehr, wir mussten dann schon bald wieder zurück nach Kroatien.


Wenn ich mich nicht irre, warst du ja damals schon ein Teenager. Wie hast du denn die Tatsache, dass ihr wieder zurück nach Kroatien musstet verkraftet?
Nicht gut. Stell' dir mal vor, ein Teenager muss seine besten Freunde verlassen?!


Das ist verständlich. Dann war es also schwer, sich den einheimischen Leuten wieder anzupassen?

Ja, leider.

Du warst doch jung, in welchem Sinne war das ein Problem?

Na ja, ich muss zugeben, dass ich mich der Lebensweise in Deutschland angepasst hatte und mich einfach daran gewöhnt hatte. Ich hatte zum Beispiel Markenklammotten und hörte amerikanische Musik. Es gab nur sehr wenige, die mir in diesem Sinne ähnlich waren.


Hast du deine Lehre als Bäcker fortgesetzt?

Natürlich.


Konntest du Kroatisch weiterhin so gut wie vorher?

Das ist eine gute Frage. Ich muss zugeben, dass Deutschland auch sprachlich bezogen den Vorsprung hatte. Da ich ja zum größten Teil in Deutschland in die Schule ging, konnte ich natürlich die kroatische Grammatik ziemlich schlecht, das muss ich zugeben.


Wie kamst du damit in der Schule zurecht?

Meine Mutter hat mir zu Hause immer geholfen. Was hätte ich nur ohne sie gemacht??? Ich hätt' warscheinlich 'ne sechs, bzw. 'ne eins gehabt, o jee!


Dann hattest du auch einen deutschen Akzent?

Nee, so heftig war das nicht.


Boris, jetzt bist du 28 Jahre alt und arbeitest in Osijek als Bäcker. Kannst du denn Deutsch immer noch so gut?

Eigentlich schon. Ich habe mich aber wieder völlig der kroatischen Kultur angepasst und somit mich von der deutschen entfernt. Aber ich schaue mir noch oft deutsche Programme an und versteh' natürlich noch die Sprache ganz gut. Darüber bin ich sehr froh.

Inwiefern?

Wenn Kroatien in die EU kommt, dann ist es doch praktisch Deutsch zu können.