Man fühlt den Unterschied!

Von Nikola Vučetić

Ivan wurde 1979 in Kroatien geboren. Er besuchte eine Primär – und eine dreijährige Sekundärschule für Automechaniker. Danach belegte er einen Kurs für eine Schweißerausbildung. In seiner ganzen Schulausbildung hatte er keinen Deutschunterricht. Er hatte keinen Kontakt mit der deutschen Sprache. Ivan ging nach Deutschland zum ersten Mal im Jahr 2003 um dort einen besseren Lohn zu verdienen, heute arbeitet er immer noch dort. Sein Aufenthalt in Deutschland dauert 9 Monate im Jahr, er verbringt nur 3 Monate in Kroatien. Meine Fragen wurden auf Deutsch gestellt und seine Antworten auf Kroatisch wiedergegeben.


Ivan, was hat dich motiviert nach Deutschland zu gehen?
Schwierige Frage. Eines Tages sah ich mich in meiner Kleinstadt um. Vieles kam mir monoton vor. Egal wo man hinging, sah man die selben Gesichter am selben Schanktresen. Wir in Kroatien haben eine merkwürdige Mentalität, jeder der hier wohnt sagt, dass die Leute kein Geld haben und alle arm sind, aber jeder trinkt in der Kneipe. Die Leute hier reden viel und tun wenig. Ich bin noch immer jung (lachen), aber vor fünf Jahren fühlte ich mich, als ob mir alle Türen geöffnet waren und beschloss nicht hier zu verrotten.

Und fandest du dich in Deutschland mit der Arbeit und dem Leben zu recht?
Ich muss gestehen, dass es am Anfang schwierig war. Deutschland und Kroatien sind so verschieden. Die Sprache habe ich nicht verstanden, der Rhythmus des Lebens ist dort sehr schnell, die Leute arbeiten viel und ein Job auf der Baustelle ist hart… Aber die Zeit verging und ich gewöhnte mich an die schweren Umstände. Alles ist eine Sache der Gewohnheit.

Welche Unterschiede zwischen Deutschen und Kroaten hast du bemerkt?
Beide Völker haben ihre guten und ihre schlechten Seiten. Die Deutschen arbeiten nur, die Kroaten reden viel und machen wenig. Die Deutschen sind präzise und zuverlässig, die Kroaten machen so manches nur um es zu tun. Aber die Deutschen haben kein Temperament, ihre Musik kann ich mir schlecht anhören, sie haben keine schärferen Nationalgerichte, was mir fehlte. Na ja, keiner ist perfekt, aber die Kroaten sind in einigen Sachen und Sichtweisen eher konservativ. Man fühlt den Unterschied!

Wie steht es mit deinem Deutsch?

Ich kann dich gut verstehen, ich verstehe eigentlich ganz gut die Sprache. Wenn irgendetwas von mir verlangt wird, erledige ich es ohne Probleme. Ich habe Probleme Wörter mit diesen Buchstaben mit zwei Punkten drauf auszusprechen, aber eigentlich habe ich keine größeren Probleme bei der Aussprache.

Liest du irgendwelche Zeitungen?

Das ist mir zu schwierig. Wenn ich Sätze sehe, kann ich nur einige Wörter verstehen und dann deute ich den Satz. Das Lesen fällt mir schwer, weil ich nicht auf eine Sprache gewöhnt bin, die nicht geschrieben wird, wie man sie ausspricht, im Gegensatz zum Kroatischen. Wir schreiben Wörter wie wir sie hören und aussprechen.

Mit wem arbeitest du in Deutschland am meisten zusammen?

Allen möglichen Leuten. Nicht nur mit Deutschen und Kroaten, sondern auch mit Polen, Russen und Türken. Aber wir als Gastarbeiter halten uns immer eng zusammen, denn erste Hilfe bei irgendetwas kommt von der gleichen Schicht in der du auch bist. Aber wir machen auch Streiche zusammen, so haben wir einmal einem Kollegen, der Türke war, seine Toilettenflasche versteckt. (lautes Lachen)

Gibt es noch witzigere Streichgeschichten?

Es gibt viele, denn würden wir uns nicht auf der Arbeit ein kleinwenig amüsieren, würden wir alle verrückt werden, aber nicht nur auf der Arbeit, sondern auch danach. Ich arbeite mit vielen verrückten Typen zusammen. Einmal hatten zwei meiner sechs Zimmergenossen auf dem selben Tag Geburtstag. Sie wussten das nicht vorher, so dass beide mit der Gruppe ein wenig feiern wollten, aber sie haben keinem etwas gesagt und kauften zu viel Alkohol. Alle sechs kamen drei Tage, jeden morgen betrunken zur Arbeit. Ich habe gehört, dass diese zwei noch immer zusammenarbeiten und beste Freunde geworden sind.

Wie fühlst du dich, wenn du wieder in Kroatien bist
?

Bestens! Wenn ich an Feiertagen nach Kroatien komme und alle Löhne auf dem Konto sind, ist das ein gutes Gefühl. Meine Familie wiederzusehen ist auch schön, ich bringe ihnen immer Sachen aus Deutschland, die es in Kroatien gar nicht zu kaufen gibt. Dann sind sie immer wie kleine Kinder und haben immer tausende Fragen. Und doch, nach einer Woche zieht es mich wieder irgendwo hin. Ich habe das Bedürfnis zu reisen, auf der Straße zu sein, keine Ahnung von wo es kommt.

Wie sind Kroaten zu Hause und wie in Deutschland?

Viele meiner Kollegen sind in Deutschland nur um zu arbeiten und weil sie daran nicht gewöhnt sind, sind sie ziemlich durchgeknallt. Sie trinken viel und gehen in „öffentliche Häuser“… Ich persönlich trinke nicht, einen Damenbesuch mache ich hin und wieder, aber ich verstehe diese Leute. Sie würden durch einen solchen Lebensstil verrückt werden, sie sind nicht zu Hause bei ihren Familien, sie arbeiten 10 bis 12 Stunden am Tag, sind bis zu 9 Monaten im Ausland, da muss man hin und wieder einen trinken. Wegen dieser schweren Bedingungen halten diese Leute auch so eng zusammen. Aber eine Sache habe ich bemerkt. Wenn sie in Deutschland sind, reden sie nur über Kroatien und wenn sie in Kroatien sind, reden sie nur über Deutschland.

Wie lange willst du noch in Deutschland arbeiten?

Noch ein Paar Jahre. Ich kann mir das ganze Leben dort nicht vorstellen. Ein Paar Jahre werde ich noch aushalten und mir etwas sparen, ein eigenes Haus in Kroatien bauen, ein gutes Auto kaufen und mir eine Arbeitsstelle in Kroatien suchen. Alles andere, hoffe ich, wird von selbst kommen.