Einige Menschen werden es einfach nie begreifen

Von Anita Radojcic

Kristina* und Irma ziehen um. Endlich haben sich die beiden entschieden gemeinsam zu wohnen. Überall stehen Kartons und Plastiktüten. Kristina raucht eine Zigarette nach der anderen, wirkt nervös und überlegt, ob das doch die richtige Entscheidung ist. Schon mit 17 hat sie gemerkt, dass sie sich zu Frauen hingezogen fühlt. Sie sagt: „Ich war davor zwar auch mit Jungs zusammen, aber irgendwie war es das einfach nicht. Ich hatte nie wirklich Schmetterlinge im Bauch und alles was zum Verliebt-Sein so dazu gehört. Mit 19 hatte ich dann meine erste Erfahrung mit einer Frau und das hat mir im Vergleich zu meinen Erfahrungen mit Jungs wesentlich besser gefallen. In dem Moment war mir alles klar und ich wusste sofort dass ich lesbisch bin.“ Kristina ist heute im Einklang mit ihrer Sexualität und freut sich auf die Zukunft, die sie mit ihrer Freundin Irma aufbaut. Wieso manche Menschen Heterosexuell und manche Homosexuell sind und wieso einige Menschen das nicht akzeptieren können ist ihr aber noch immer ein Rätsel.

An „Scheiss Lesbe“, „Arschfxxer“ und andere beleidigende Bezeichnungen haben sich viele Homosexuelle in dieser Region schon gewöhnt. Auch gewaltsame Übergriffe gegen Homosexuelle sind leider traurige Realität. In Kroatien ist die Mehrheit der Bevölkerung katholisch - Homosexualität ist für sie eine Sünde. Die meisten Menschen sind der Meinung, dass so etwas krank ist und das man alles, was nicht dem heterosexuellen Bild einer Durchschnittsfamilie entspricht, bekämpfen soll. In fast jedem Ort stoßen Homosexuelle auf Diskriminierung und Ablehnung. Sogar am Arbeitsplatz kommt es nicht selten vor, dass man „schräg" angesehen oder sogar entlassen wird, wenn der Arbeitgeber herausfindet, dass man Homosexuell ist. Natürlich kann man seine sexuelle Orientierung verleugnen, aber das prägt einen und ist ein trauriger Fakt. Perica, 24 Jahre, Student in Osijek sagt: „Ständig das Verhalten zu kontrollieren und nur an bestimmten, ungefährlichen Orten meine Bedürfnisse nach Nähe zu zeigen, wird mit der Zeit ziemlich anstrengend und ich hab so langsam aber sicher keinen Bock mehr darauf!“ Die ständige Kontrolle zeigt, dass die Gesellschaft noch weit von Akzeptanz entfernt ist.
Die meisten Homophoben sind konservative, traditionelle Menschen oder solche mit einem geringen Selbstwertgefühl und einer niedrigeren sozialen Lage. Die Angst vor der eigenen Homosexualität spielt bei Homophobie auch eine Rolle, wie eine Studie aus den USA zeigt. Grundsätzlich ist Homophobie eine nahezu krankhafte Angst vor Homosexuellen. Aus Homophobie kann Aggression hervorgehen.

Von Natur aus hat man ein Geschlecht und eine Sexualität, die jedem seine Privatsache ist und nicht öffentlich verhandelt werden muss. Deswegen gibt es Gay-Bars, wo sich die Homosexuellen frei fühlen können und unter sich sind. Aber in Kroatien ist das nicht der Fall. Es gibt landesweit eine einzige solche Bar, von der bekannt ist, wer sich dort trifft. Diese Bar war auch immer wieder Ziel gewalttätiger Anngriffe. Alle anderen Treffpunkte sind eher verborgen und insofern nicht wirklich Gay-Bars, sondern eher Bars mit „gay-freundlichem“ Personal.
Es gibt sehr viele Menschen in Kroatien, die gegen Homosexuelle sind. Alles was der heterosexuellen Norm nicht entspricht wird verleugnet und abgelehnt. Irma sagt: „Nur wenn man das System der heterosexuellen Norm aufbricht und aufhört zu unterteilen, was weiblich und was männlich ist, kann es zu einer Akzeptanz bei den Leuten kommen. Es gibt also noch viel zu tun!“


Kristina und Irma packen noch die letzten Sachen zusammen. Es müssen noch einige Dinge erledigt werden, aber das wichtigste ist schon bereit. Bald geht es los in ein neues, freieres Leben in Wien. Kristina: „Mir ist natürlich klar, dass es in Österreich auch homophobe Leute gibt, aber auf jeden Fall weniger als hier. Da bin ich mir sicher. Ich weiß auch, dass wir dort auch einige Höhen und Tiefen erleben werden, aber sicherlich werden wir dort freier leben. Um nicht davon zu sprechen, dass uns Österreich viel mehr Möglichkeiten bietet, was unsere sexuelle Orientierung angeht, aber auch das Leben im Allgemeinen.“ Irma: „Ich freue mich schon riesig darauf. Ich weiß, dass uns in Österreich jetzt kein „Friede, Freude, Eierkuchen“ erwartet, aber auf jeden Fall sind die Leute dort liberaler. Ich hab keine Lust mehr, mir ständig anzuhören, dass ich krank bin und das ich in der Hölle brennen werde. Es ist zwar traurig, dass ich mein Heimatland deswegen verlasse, aber wenn ich schon die Möglichkeit habe ein besseres, glücklicheres Leben in einem anderen Land zu führen, dann werde ich das auch tun. Einige Menschen werden es einfach nie begreifen, dass „mein Gott“ außer Adam und Eve, auch Adam und Steve schuf!“

*Sämtliche Namen durch Redaktion geändert