Mama, wann können wir nach Hause?

Von Suzana Krklec

Ivan Matanović und seine Familie lebten 7 Jahre lang in Deutschland. Mit seiner Frau Jelena hat er drei Kinder. Der Heimatkrieg zwang ihn und seine Familie Kroatien zu verlassen und nach Deutschland zu fliehen.

Herr Matanović, warum mussten Sie Kroatien verlassen?
Also, als der Heimatkrieg ausbrach, mussten ich und meine Familie unser Land verlassen. Wir lebten in einem kleinen Dorf, einer sehr gemütlichen Gegend. Das Leben in Kroatien war nicht mehr sicher, und deshalb haben wir uns entschlossen unsere Sachen zu packen. Es war nicht leicht, aber es gab keine andere Möglichkeit für uns. Wir hatten ein kleines Auto, mit dem wir uns auf den Weg machten. Wir mussten alles zurücklassen. Nur das Wichtigste konnten wir mitnehmen. Also nur einige Sachen zum Anziehen, Geld und unsere Dokumente. Sie müssen sich das vorstellen! Schon auf dem Weg nach Deutschland wurden wir von den Serben aufgehalten. Sie durchsuchten unser Auto. Ich erinnere mich noch ganz gut daran! Der eine Soldat, der uns aufhielt, telefonierte mit jemanden und fragte, ob er uns weiterfahren lassen darf. Wieso und warum, weiß ich heute noch nicht. Aber unser Glück war, dass sie uns weiterfahren ließen. Ich hatte Angst um meine Familie! Zuerst wussten wir nicht wohin. Wir gingen dann nach Deutschland.

Wie waren Ihre ersten Eindrücke, als Sie nach Deutschland kamen?
Der erste Eindruck war gut. Wir kamen zuerst in die Hauptstadt Berlin. Eine sehr schöne Stadt. So vieles Neues haben wir dort gesehen und erlebt. Wir hatten in Deutschland keine Verwandten und deshalb mussten wir in ein Wohnheim ziehen. Oh, schrecklich! Da gab es Leute verschiedener Nationalitäten. Es gab: Kroaten, Chinesen, Türken, und viele andere, aber vor allem Roma. Nicht, dass ich etwas gegen diese Leute habe, aber man fühlt sich eben nicht gut unter all diesen Leuten. Man kennt sie nicht und man fühlt sich wie ein Fremder. Und wir sind so viele Male umgezogen, das kann man sich nicht vorstellen. Wir waren alle deprimiert. Wir haben alles verloren, was wir besaßen. Wir mussten unsere Heimat und auch unsere Freunde verlassen. Alles war uns unbekannt. Wir mussten uns neu umstellen, ein neues Leben beginnen. Aber vor allem bedrückte uns die Tatsache, wie unser Leben weiterverlaufen wird. Man wird ins kalte Wasser geworfen!

Können Sie mir Ihr Leben im Wohnheim beschreiben?
Natürlich. Das Wohnheim sah wie eine Baracke aus. Es gab viele Räume und einen langen Flur. Wenn man das Wohnheim betritt, sieht man auf der linken und rechten Seite Zimmer, den Flur entlang, ganz hinten, die Toilette. Jedes Wohnheim hatte einen Wachtmeister, der dafür sorgte, das alles unter Kontrolle war. Wir lebten auf sehr kleinem Raum. Ein Zimmer das zugleich Schlaf-, Wohn- und Esszimmer war. Also alles in Einem. Jeder Raum war gleich gebaut und hatte die gleiche Größe. Das heißt, dass jede Familie einen gleich großen Raum bekam, egal ob die Familie drei-, vier- oder fünfköpfig war. Die Toilette und auch die Küche benutzte man zusammen mit anderen Mitbewohnern. Und die hygienischen Umstände waren schrecklich! Davon möchte ich lieber nichts erzählen. Das könnte auf den Magen gehen.

Sie brauchten ja Geld. Konnten Sie und Ihre Frau Arbeit finden?
Ja, Arbeit konnte man finden. Ich arbeitete auf der Baustelle, und meine Frau arbeitete als Putzfrau. So haben die meisten von uns dort Geld verdient. Wenn ich von der Arbeit kam, dann ging meine Frau putzen. Sie ging auch putzen, wenn ich nicht zu Hause war. Auf die Kinder passten dann die Nachbarn auf. Man musste sich zurechtfinden. Man hatte keine andere Wahl. Ich muss auch dazu sagen, dass unser Liebesleben nicht so gut funktionierte. Wir hofften nur darauf, das das ganze schnell ein Ende nehmen wird.

Was war mit Ihren Kindern?
Also, ich habe jetzt drei Kinder. Meine älteste Tochter heißt Marija. Sie besuchte damals die erste Klasse Grundschule. Tomislav ging in den Kindergarten. Und das dritte Kind, Josip, wurde kurz vor der Rückkehr in unsere Heimat geboren. Für Marija und Tomislav war es eine schwierige Zeit. Wir konnten alle kein Deutsch. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich in einen Laden ging. Ich kaufte ein kleines gelbes Büchlein, einen Duden, und ein Wörterbuch. Wir mussten die Sprache so schnell wie möglich lernen, damit wir uns verständigen konnten.

Hatten die Kinder Probleme in der Schule?
O, ja! Das war nicht so angenehm. Die meisten in der Klasse hatten Probleme mit den Ausländern. Meine Kinder wurden von ihren Mitschülern verstoßen. Es gab auch Ausnahmen, aber das waren nur wenige. Sie konnten nur schwer Freunde finden. Sie haben es nie so richtig begriffen. Jedes Mal wenn wir umgezogen sind, haben auch die Kinder die Schule gewechselt. Sie mussten auch immer wieder neue Freunde suchen. Es war ein Durcheinander. Für die Kinder war es schrecklich. Kaum haben sie sich an die Klassenkameraden gewöhnt, mussten sie sie verlassen. Und das ganze immer wieder von vorne. Marija hat insgesamt 6 Mal die Schule gewechselt. Es war sehr schwer für uns alle.

Hatten Sie sich an das neue Leben in Deutschland gewöhnt?
Es dauerte einige Zeit, aber es klappte.

Sie haben Vieles durchgestanden. Sie sind jetzt wieder in Kroatien. Wie fühlen Sie sich jetzt?
Ich bin glücklich wieder zu Hause zu sein. Die Familie ist das Wichtigste im Leben. Ich hoffe nur, dass so etwas nie wieder passiert! Das Gute ist, jetzt kann ich Deutsch. Wäre alles anders abgelaufen, hätte ich vielleicht nie Deutsch gelernt. Ha, ha, ha!