Deutschland- die neue, bessere Heimat

Von Stana Pavić

Wir befinden uns in dem kleinen Dorf Potočani in Bosnien, im Haus des 60-jährigen Grgo Ivelj, der 33 Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet hat. Deutschland wurde seine neue Heimat. Jetzt ist er seit 8 Jahren wieder in seiner alten Heimat und berichtet uns von seinem Leben in Deutschland.


Guten Tag Herr Ivelj! Sie sind in Bosnien geboren, aber Sie lebten von 1971 bis 2004 in Deutschland. Sie sind vor 8 Jahren wieder nach Bosnien gezogen. Warum haben Sie überhaupt Bosnien verlassen, was hat Sie bewogen, ausgerechnet nach Deutschland zu gehen?
In einem Wort: Geld. Ich wollte Geld verdienen – und danach wieder in die Heimat zurückzukehren. Meine Frau und ich hatten in Bosnien kein Geld. Wir konnten keine Arbeit finden. Meine Frau war schon vor mir in Deutschland, sie arbeitete dort als Putzfrau, und als sie nach Bosnien zurückgezogen ist, ging ich nach Deutschland. Mein Bruder, der auch in Deutschland war, hat mir einen Job in einer Textilfabrik in Stuttgart verschafft.

Was waren ihre ersten Eindrücke, als Sie nach Deutschland kamen. Haben Sie Unterschiede zwischen Deutschland und Bosnien bemerkt?
In Deutschland sah ich Sachen, die ich nie zuvor gesehn habe. Alles war groß, schön, ausgebaut und organisiert. In Bosnien lebte ich mein ganzes Leben lang in dem kleinen Dorf Potočani. Und jetzt auf einmal befand ich mich in einer der gröβten Städte Deutschlands. Ich fühlte mich allein, aber auf der anderen Seite auch sicher. Ich habe mich sehr schnell an alles gewöhnt.

Hatten Sie Probleme mit der deutschen Sprache?
Ja, ich hatte Probleme. Ich kannte kein einziges deutsches Wort. Aber die Arbeit, und die Mitarbeiter haben mir geholfen, die Wörter, die ich in der Arbeit brauche, zu lernen. Sie alle hatten Geduld mit mir. Später habe ich einen Kurs besucht um Deutsch zu lernen. Der Kurs dauerte drei Monate. Ich kaufte auch Kassetten, um Deutsch zu Hause nach der Arbeit zu lernen. Nach einiger Zeit konnte ich sehr gut Deutsch Sprechen.

War es für Sie schwer, dort ohne Ihre Frau und drei Kinder, die in Bosnien geblieben sind, zu leben?
Das war die schli
mmste Sache für mich. Ich dachte die ganze Zeit an sie. Wir hatten kein Telefon, so dass wir uns gegenseitig Briefe schrieben. Aber ich wusste, dass es so sein muss und dass ich eines Tages mit Geld zurückkommen werde. Aber ich blieb nicht nur 4 Jahre wie geplant, sondern 15 Jahre war ich dort allein. Ich wusste, dass ich keine Arbeit finden würde wenn ich zurückkäme. Ich wollte auch meinen Kindern die Ausbildung bezahlen. Ich besuchte meine Familie 2-3 Mal im Jahr. Nach diesen 15 Jahren kam auch meine Frau mit dem jüngsten Kind nach Deutschland, sie hatte wieder einen Job als Putzfrau gefunden. Wir haben beschlossen, bis zur Pension in Deutschland zu bleiben. Und diese Zeit war die schönste Zeit meines Lebens. Meine Töchter kamen nicht nach Deutschland, sie studierten in Kroatien, aber wir sahen uns oft.


Fühlten Sie sich integriert?
Ja, ich muss sagen, ich fühlte und habe mich integriert. Ich habe mich schon sehr früh in Deutschland wohl gefühlt. Ich gewöhnte mich an alles. Die Deutschen haben mich sofort gut aufgenommen und wir wurden in die Gesellschaft integriert. Ich verdiente Geld, war zufrieden mit der Arbeit, und konnte meine Kinder in die Schule schicken. Wenn meine Frau und mein Sohn kamen, fühlte ich mich noch besser. Bosnien habe ich überhaupt nicht vermisst. Wenn meine zwei Töchter noch bei uns gewesen wären, wäre alles perfekt gewesen.

Wie wurden Sie am Arbeitsplatz behandelt? Sind Sie der Meinung, dass Sie gut bezahlt wurden?
Sehr gut. Wie ich schon sagte, am Anfang hatte ich Probleme mit der Sprache, aber alle Arbeiter und der Arbeitgeber haben mir geholfen. Sie haben mir beigebracht, Deutsch zu sprechen und sie waren sehr geduldig mit mir. Ich habe sehr viel gearbeitet, sogar 14 Stunden am Tag und auch an Wochenenden. Ich wurde dafür sehr gut bezahlt, was mir die Kraft gab, noch mehr zu arbeiten, denn ich wusste, dass ich das Geld meiner Familie geben würde. Man kann sagen, dass, so viel wie man arbeitete, so viel Geld bekam man auch. Ich bin der Meinung, dass ich gut bezahlt war.

Wann sind Sie in Pension gegangen und warum?
Ich hätte mit 65 in die Pension gehen sollen, aber ich bin 5 Jahren früher gegangen. Ich wollte ein bißchen mein Leben in Deutschalnd mit meiner Frau genießen. Ich lebte 30 Jahre in Deutschland. Mein halbes Leben verbrachte ich dort und ich war der Meinung, dass ich es verdient hatte, mein Leben dort auch ein bißchen zu genießen. Ich wartete, bis meine Frau in die Pension konnte, so dass wir zusammen nach Bosnien zurückkehren können.

Haben Sie etwas Schlechtes in Deutschland erlebt, woran Sie sich noch immer erinnern?
Nichts wofür ich Deutschland beschuldigen kann. Wie Sie sehen können, ich bin ein Invalide. Nachdem ich zwei Jahren in der Pension war, erlebte ich einen Schlaganfall. Ich habe nie geraucht oder Alkohol getrunken, aber was kann man..., das war mein Schicksal. Mit der ganzen linken Seite meines Körpers kann ich nichts fühlen. Ich kann nur Gott danken, dass, wenn es schon passieren musste, es in Deutschland passierte. Die Krankenhäuser in Deutschland sind besser. Allgemein ist alles besser organisiert und ich fühlte mich sicher. Mit 65 kehrte ich mit meiner Frau zurück nach Bosnien. Mein Sohn und seine Frau blieben in Deutschland, und sie leben dort noch immer.

Sie haben Vieles erlebt und durchgemacht, wie fühlen Sie sich jetzt, wie unterscheidet sich jetzt ihr Leben von dem in Deutschland?
Ich kann nicht sagen, dass ich in diesem Moment meines Lebens glücklich bin. Ich denke, dass meine Krankheit einer der Hauptgründe dafür ist. Wenn ich gesund wäre, wäre alles anders. Jetzt, wo ich endlich zu Hause bin, in Bosnien, und hier mit der deutschen Pension leben kann, bin ich an das Haus gebunden und kann nirgendwo hingehen. Meine Frau und ich leben hier alleine und ohne sie könnte ich nicht leben. Was den Unterschied zwischen Deutschland und Bosnien angeht, er ist so groß, dass es keinen Sinn macht, darüber zu sprechen. In Bosnien erlebte ich meine Jugend, und jetzt erlebe ich hier mein hohes Alter. In Deutschland erlebte ich die besten Jahre meines Lebens, vor allem als meine Familie mit mir dort war und ich kann dem Land nur dankbar sein für alles, was es mir ermöglichte. Ich vermisse das Leben dort.